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Die Stahlstiftung ist bereits ein Stück Industriegeschichte

Autor: Ernst Koglgruber

Das Krisenjahr 1985 und seine Folgen

Als im Jahr 1985 auch noch die Verluste der Tochter Intertrading bekannt wurden, zwang das Sorgenkind Voest-Alpine-AG die Politik endgültig zum Handeln. Bundeskanzler Sinowatz sprach am Parteitag im November auch von einer Zeitenwende.

Fred Sinowatz
Bundeskanzler Fred Sinowatz. © BKA
Auf der Seite des Dokumentationsarchivs der voestalpine ist heute über dieses Jahr zu lesen: »Die damalige VOEST ALPINE AG stand aufgrund eines ganzen Bündels an Faktoren, unter anderem Fehlentscheidungen und politischer Einflussnahme, vor dem Bankrott. Zusammenbruch der verstaatlichten Industrie«. (Dokumentationszentrum der voestalpine 2012). Die Handelsfirma Intertrading wurde von der Voest-Alpine 1978 gegründet. Viele internationale Kunden, vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer, bezahlten ihre Verbindlichkeiten nicht oder nur zum Teil in Devisen. Dieses Handelshaus hatte nun die Aufgabe, diese Waren auf den internationalen Märkten wieder zu verkaufen. Diese Aufgabe erledigte das Handelshaus anfangs sehr erfolgreich. Vom Erfolg angespornt stieg es selbst ins internationale Handelsgeschäft ein. Also es vertrieb nicht nur mehr die von den Voest-Kunden als Zahlung gelieferten Waren, sondern handelte mit Erdöl, Stahl, Nahrungsmitteln, Bekleidung und elektrischen Produkten. Intertrading hatte Büros in Tokio, Hongkong, London und Südafrika. Das Ölgeschäft machte dabei den bei weitem größten Anteil aus. »1984 gingen von den 108 Milliarden Umsatz bereits 90 Milliarden auf das Konto von Erdöl«. (Kriechbaumer, 2008, S.381). Anfangs, als die Spekulationen aufgingen, steuerte die Intertrading einen positiven Beitrag zur Bilanz bei, was durchaus gelegen kam, da das Stahlgeschäft ja Verluste machte. Die Verantwortlichen der Voest-Alpine versuchten daher die hohen Spekulationsverluste vor dem Verstaatlichtenminister zu verbergen, da sie auf eine Trendumkehr hofften. Auf Weisung des Generaldirektors Apfalter wurde dem ÖIAG-Generaldirektor am 8. Oktober von den beiden Geschäftsführern der Intertrading, Preschern und Lettner, versichert, die Intertrading betreibe vor allem risikolose »Back-to-Back«-Geschäfte. Genau das Gegenteil war aber der Fall. (vgl. Profil Nr. 6, 9.2.1987, S.26.). Danach ging es Schlag auf Schlag. Ende Oktober wurde der Finanzchef der Voest-Alpine darüber informiert, dass aufgrund der fallenden Ölpreise sich die Verluste auf 2 Milliarden Schilling ausdehnen würden. Sie ersuchten um Aufschub der offenen Lieferpositionen, in der Hoffnung damit die Verluste minimieren zu können. Dazu bedurfte es aber Garantien seitens der Voest-Alpine. In einer am 6. November 1985 einberufenen Krisensitzung erhielten sie dafür auch vom Generaldirektor Apfalter Unterstützung, der Vorstandsdirektor für Finanzen und der Vorstandsdirektor für Anlagenbau lehnten eine solche Garantie aber ab. Bei der am 19. November stattfindenden Sitzung bei der ÖIAG wurde deren Chef Grünwald von Apfalter darüber informiert, dass bei der Intertrading durch fehlgeleitete Spekulationen Verluste von 5,7 Milliarden Schilling entstanden sind. Grünwald, der darüber nicht informiert war und dem im Oktober von Apfalter noch Gegenteiliges versichert wurde, setze daraufhin Wirtschaftsminister Lacina davon in Kenntnis. Nach Rücksprache mit dem Bundeskanzler erwirkte der Wirtschaftsminister auch die Entlassung des gesamten Vorstands der Voest-Alpine und gab diesen bei der dafür einberufenen Pressekonferenz am 26. November 1985 bekannt. Die schlechten Nachrichten aus der Verstaatlichten waren für die Minister und somit für Herrn und Frau Österreicher damit nicht zu Ende. Am 20. Dezember wurde der Minister vom Vorstand der Chemie-Linz-AG darüber informiert, dass bei ihrem Handelshaus Merx durch Öl-Spekulationen ein Verlust von 550 Millionen Schilling eingetreten sei. Drei Tage später liquidierte die Chemie-Linz-AG ihr Handelshaus. Das hatte wiederum Auswirken auf die Voest-Alpine, war doch nach Entlassung von Generaldirektor Apfalter auf Druck vom Voest-Betriebsobmann Ruhaltinger der Generaldirektor der Chemie-Linz-AG, Kirchweger, zum Nachfolger bestimmt worden. Er bestritt, von den Spekulationsverlusten des Handelshauses der Chemie-Linz-AG gewusst zu haben. Der Druck wurde aber durch Medienberichte, die Gegenteiliges behaupteten, zu groß. Im Februar 1986 wurde er durch Herbert Lewinsky ersetzt. Die Voest-Alpine schrieb 1985 Verluste in der Höhe von 11,2 Milliarden Schilling. (vgl. Kriechbaumer, 2008, S.386ff).