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Der Lederfabrikant Wilhelm Poeschl aus Rohrbach (1901 – 1998)

Autorin: Monika Klepp

Der kluge und unnachgiebige Verhandler mit den Russen

Russische Besatzung und Staatsvertrag, Jahre der Ungewissheit, neues politisches Leben und erste Jahre des Wiederaufbaus fielen in seine Amtszeit als Bürgermeister. Gegenüber den russischen Besatzern erwies er sich als vorsichtiger und taktisch kluger Verhandler, der die Anliegen und Nöte der Menschen mit Nachdruck vertrat. Gleichzeitig war er sich der Gefahren bewusst, da Willkürakte und Übergriffe keine Seltenheit waren. Ein "tägliches Hasardspiel", war seine spätere Einschätzung. Er ließ 1946 die Holzhütten des Lagers Dobretshofen abreißen, als gerade eine russische Truppe abgezogen war, und rechtfertigte sich vor der russischen Kommandantur mit einer grassierenden Typhusepidemie. Es gelang ihm, willkürlich angeordnete Räumungen von Häusern abzuwenden. Gemeinsam mit Bezirkshauptmann Dr. Spannocchi wusste er zu verhindern, dass dem russischen Kommandanten Listen von Österreichern übergeben wurden, die bei der Wehrmacht gedient hatten. Vor allem Heimkehrer, die am Russlandfeldzug teilgenommen hatten, wurden vor Repressalien oder Übergriffen geschützt. In einem 1985 gehaltenen Vortrag bezeichnete Bezirkshauptmann Dr. Spannocchi die Bürgermeister Georg Jetschgo von Sarleinsbach, Karl Schneeberger von Putzleinsdorf und Otto Kumpfmüller von Kollerschlag als sehr mutige Männer. "Der härteste Verhandler von allen war jedoch der Lederfabrikant Wilhelm Poeschl aus Rohrbach." Für die russische Besatzungsmacht war dieser "österreichische Stil" des klugen, aber entschiedenen Verhandelns ein Faktum. Kurz vor dem Abzug verkündete ein Russe lauthals in Rohrbach: "Bevor wir gehen, wir hängen auf an Marktplatz: Herrn Poeschl, daneben natschalnik ujesda (Bezirkshauptmann) Spannocchi und dazwischen Wasserbauer." Herr Wasserbauer hatte den Russen Schnaps entweder nicht gegeben oder teuer verkauft.

Der Staatsvertrag 1955 bedeutete Freiheit, Demokratie und Neubeginn. Beendet war das totalitäre Regime der Nationalsozialisten, das Familien gespalten hatte, sowie die amerikanische und russische Besatzung, die auch zu einem geteilten Österreich hätte führen können. Noch 1955 ließ Wilhelm Poeschl am Pfaffenberg bei Rohrbach ein Befreiungskreuz errichten, Mahnmal für das Vergangene und Zeichen des neuen Anfangs.

Wilhelm Poeschl ließ 1955 das Befreiungskreuz am Pfaffenberg bei Rohrbach errichten
Wilhelm Poeschl ließ 1955 das Befreiungskreuz am Pfaffenberg bei Rohrbach errichten. Bildquelle: Archiv des Bezirksheimatvereins Rohrbach