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Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Ein Familienunternehmen

Heinrich Franck Söhne blieb bis zum Unternehmensende ein Familienunternehmen, auch wenn die Familie sich in zahlreiche Zweige zerteilte und die Beteiligungsverhältnisse der einzelnen Familienmitglieder in den Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mehr als kompliziert waren. Die „Governance“ wurde in einer Familienverfassung, einem Familienkodex zusammengefasst. Das hatten schon Johann Heinrich Franck und seine Söhne getan. Der Enkel Richard Franck (1871-1931) betonte stets, dass „ohne ein Ganzes er als Teil nicht gedeihen“ könne. Auch für seinen Cousin Johann Heinrich Franck (1888-1954) galt vor allem das Ziel, „das Erbe der Väter durch alle Stürme und Fährnisse der Zeit hindurch zu retten und zu festigen.“[21] [Nachruf auf Johann Heinrich Franck, Linzer Volksblatt, 23.12.1954. ]
Familie und Familiensinn waren wichtig. In Familienunternehmen sind die Bindungen nicht nur in der Führungsebene, sondern auch zur Belegschaft enger. Das galt auch für Franck. Man legte Wert darauf, dass die Eigentümer möglichst nahe am Geschehen waren, im Firmenareal wohnten und damit nicht nur den besten Überblick hatten, sondern auch Solidarität ausdrückten.

Die Unternehmervilla wurde mitten in der Fabrik errichtet: wie bei den Krupp in Essen und in Berndorf oder bei Werndl in Steyr, und eben auch bei Franck in Linz. Die repräsentative, direkt ans Fabriksgelände anschließende Unternehmervilla hatte im Souterrain neben den Kellerräumlichkeiten ein Chauffeurzimmer und eine Hausmeisterwohnung, ebenerdig 5 Zimmer, 2 Kabinette, 1 Küche, im ersten Stock 4 Zimmer, 3 Kabinette und im Dachgeschoß 2 Zimmer, 3 Kabinette, dazu eine Autogarage mit Dachgeschoß (1 Zimmer, 1 Kabinett, 2 Küchen). Sie sollte nach dem Testament Carl Francks, das noch im Ersten Weltkrieg verfasst worden war, gemeinsames Eigentum der Erben bleiben. Dem ältesten in der Firma tätigen Sohn wurde aber das Recht der Nutznießung eingeräumt, mit Gegenzahlung eines Jahreszinses von 18.000 Kronen an die Erben, mit der Verpflichtung, sie in gutem Zustand zu halten und die Steuern zu zahlen. Das Nutznießungsrecht wurde zunächst auf die Dauer der Tätigkeit in der Firma beschränkt, sollte aber auf Lebensdauer fortbestehen, wenn der Berechtigte bis zum 60. Lebensjahr tätig war und Nutznießer blieb. Er sollte auch das Recht haben, sie um 600.000 Kronen als freies Eigentum zu erwerben. Wenn er dieses Recht nicht binnen 14 Tage nach Abhandlung ausübte, so ging dieses Recht auf den zweitältesten Sohn etc. über, und dann auf die älteste Tochter etc., zuletzt auf die Firma. „Diese Anordnungen haben wir getroffen, weil wir annehmen, dass es gerade für einen in der Firma tätigen Nachkommen genehm sein wird, ein dem Geschäfte nahe gelegenes Heim zu besitzen, in dem er auch die ihm als Chef der Firma obliegenden Repräsentationspflichten erfüllen kann.“[22] [Carl Franck, Verlassenschaft, OÖLA. ]

Auch das langfristige Herangehen an Probleme charakterisiert Familienunternehmen. Bereits Johann Heinrich Franck, der Gründer und Pionier, hatte mit dem neu geschaffenen Unternehmen für sich und seine Familie eine längerfristige Perspektive der Existenzsicherung und persönlichen Identitätsstiftung im Auge, mit der Familie als einheitsschaffender Institution.
Durch eine enge Verzahnung zweier an sich sehr gegensätzlich strukturierter Typen sozialer Systeme, eines Unternehmens auf der einen Seite und der Familie des Eigentümers auf der anderen Seite, entwickelt sich in Familienunternehmen für beide Seiten eine strukturprägende Wirkung ganz besonderer Art. Familiale Muster und Gewohnheiten werden auf das Unternehmen angewendet und übertragen: die eingespielten Kommunikationsmuster, der Führungsstil, die Konfliktkultur, der Umgang mit dem Personal und mit den Finanzen, die hohe Loyalität gegenüber Stammkunden und Lieferanten etc.

Im Familienunternehmen entfaltet sich der Unternehmer im patriarchalischen Stil. Seine fraglos akzeptierte Autorität im Unternehmen erleichtert die innerbetriebliche Umsetzung notwendiger Weichenstellungen. Der Kunde spielt in Familienunternehmen eine ganz zentrale Rolle. Ihn zufrieden zu stellen besitzt erste Priorität. Die Binnendifferenzierung ist primär um Personen herum gebaut.

Familienfoto zum 70. Geburtstag von Ida Franck, geb. Raschle, 1912
Familienfoto zum 70. Geburtstag von Ida Franck, geb. Raschle,1912.
Im Vordergrund v. l. n. r.: Amalie Anna Ott, Mausi (Adoptivkind von Emma Franck), Dora Franck (verh. Kübler), Irene Franck (verh. Dittus), Ida Franck, Senta (Adoptivkind von Emma Franck), Hermann Wilhelm Breyer, Thea Franck (verh. Dorrer), Ursula Breyer.
Im Hintergrund: Walter Frank, Dora Franck, Richard Franck, Emma Franck (verh. Reiff), Hermann Reiff, Elisabeth Breyer, Hugo Breyer.
Dank an Frau Dr. Elisabeth Schwaighofer für die Identifizierung.

Es ist nicht überraschend, dass Familienunternehmen in ihrer Personalpolitik ganz unverwechselbare, familienähnliche Merkmale ausbilden: Man ist bestrebt, Mitarbeiter in sehr jungen Jahren unmittelbar nach der Ausbildung ins Unternehmen zu holen und emotional stark an die Firma zu binden. Familienunternehmen erzeugen auch ganz charakteristische Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Für die Mitglieder der Franckschen Familie galt: Jeder Teilhaber „müsse seine ganze Zeit, seine physische und geistige Kraft dem Geschäfte allein, Tag oder Nacht, zu Hause und auf der Reise“ zuwenden. Für die Ausbildung künftiger Nachfolger galten die Karrieren der zweiten Generation als Maßstab: Nach „vollständiger Gymnasialbildung“, einer gründlichen Lehre im Kolonialwarengeschäft und nach Erlernung einer oder mehrerer moderner Fremdsprachen sollten sich die künftigen aktiven Gesellschafter ihrem „Zukunftsberuf“ etwa fünf Jahre in der Fabrik, im Kontor und „auf der Reise bei der Kundschaft“ widmen.

Zum kritischen Punkt in Familienunternehmen kann erfahrungsgemäß die Nachfolgeregelung werden. Unterschiedliche Kinderzahlen, Interessen der Kinder, geschlechtsspezifische oder sonstige diskriminierende oder als diskriminierend angesehene Erb- und Mitbestimmungsregelungen können zu Konfliktpunkten werden.

[21] Nachruf auf Johann Heinrich Franck, Linzer Volksblatt, 23.12.1954.
[22] Carl Franck, Verlassenschaft, OÖLA.