Linz wird zum Österreich-Standort
Schon 1810 wird in Linz eine Surrogatkaffeefabrik erwähnt, die ein gewisser Anton Löffler betrieb. 1865 bis 1873 bestand die Kaffeefabrik Anton Gartenauer. Eine kleine Surrogatkaffeefabrikation zusätzlich zu ihrer Spirituserzeugung betrieben auch die Gebrüder Feigl (1853-1886). Adolf Julius Titze gründete 1868 in Rottenegg (St. Gotthard im Mühlkreis) die „Erste oberösterreichische Feigenkaffee-Fabrik“, die 1879 nach Linz verlegt wurde, also im selben Jahr, in welchem Franck nach Linz expandierte.
Die Habsburgermonarchie war für Franck ein wichtiger, wenn auch schwieriger Markt. Die Konkurrenz war groß. Angeblich gab es in der Habsburgermonarchie nicht weniger als 67 verschiedene Ersatzkaffee-Firmen und Erzeuger. Mittel- und Südösterreich wurden vom Feigenkaffee dominiert, Böhmen und Mähren vom sogenannten „Mandelkaffee“, einer Mischung aus Rübensorten. In Wien ließ der Kaufmann seine vom Importhandel erstandenen Feigen beim Bäcker rösten und in einer am Ladentisch angeschraubten Handmühle vor den Augen der Käufer durchmahlen. Francks Markt war vorerst Westösterreich, wo man den Zichorienkaffee bereits kannte.[6] [Lackner, Stadler, Fabriken in der Stadt, 333 ff. ]
Am 17. Dezember 1878 kam er nach Linz. Hier fand er die leer stehenden Hallen der Waggon-Fabrik des Ignatz Meyer, die 1871/72 errichtet und nach dem Börsenkrach von 1873 nie in Betrieb genommen worden waren. Die großen Hallen und die bereits vorhandene Dampfmaschine stellten eine günstige Gelegenheit dar.
Nun ging alles sehr schnell. Am 26. Dezember 1878 kamen zwei Ingenieure, einen Tag später Hermann Franck und Direktor Wilhelm Gentner persönlich nach Linz. Der Kaufvertrag wurde am 28. Dezember 1878 unterzeichnet. Für die Verkäufer traten der Lederfabrikant Josef Mayrhofer und die Schiffsmeisterswitwe Susanna Mayer auf, als Käufer Hermann Franck.
Am 30. Jänner 1879 wurde die Firma Heinrich Franck Söhne als Zweigniederlassung des Ludwigsburger Unternehmens in das Linzer Handelsregister eingetragen. Als Firmeninhaber und öffentliche Gesellschafter fungierten Wilhelm, Hermann und Gustav Franck, als Prokuristen Wilhelm Gentner und Bartholomäus Bayländer. Am 20. Februar 1879 erfolgte die Kundmachung im Amtsblatt zur Linzer Zeitung. [7] [Notizen von und für Heinrich Franck Söhne Linz a.D., begonnen 1880. ]
Es war mitten im Winter. Die Hallen, die sich in einem wenig zufriedenstellenden Zustand befanden, waren bitter kalt. Nichts desto trotz begann man schon am 2. Jänner 1879 in einer „Franck-Kaffee-Stube“ mit dem Abpacken von Kaffee. Am 3. Februar startete die Kaffee-Erzeugung und am 17. Mai konnte der Betrieb der Rösterei und der Mühle eröffnet werden. Erfahrene Arbeiterinnen waren aus Ludwigsburg mitgenommen worden. Im Spätsommer 1879 waren alle Anfangsschwierigkeiten beseitigt und war die Produktion in vollem Gang.
Es wurde viel gebaut. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden sieben langgestreckte parallele Produktions- und Lagergebäude und ein viergeschossiges, 24-achsiges Verwaltungsgebäude. 1891 wurde im Werksgelände ein neues Kesselhaus errichtet, im gleichen Jahr auch ein Gerätehaus für die Fabrikfeuerwehr. 1895 konnte das neue Kanzleigebäude bezogen werden, das bereits auch eine Zentralheizung aufwies, angeblich die erste in Linz. Im Jahr 1896 wurden drei Schlote, ein Rauch- und zwei Dunstschlote, errichtet und die alte Dampfmaschine durch eine neuere Konstruktion ersetzt.
Eine der vordinglichsten Aufgaben war die Einführung des Zichorienanbaus in Oberösterreich. Rund um das Industriegelände gab es noch ausreichend freies Ackerland. 1883 wurden die Güter Hummelhof und Spallerhof als Musterhöfe erworben. Auf letzterem wurde eine Darre errichtet. Die Güter gingen später in den Privatbesitz Carl Francks über, der sie als ein großes Gut bewirtschaften ließ. Dieser Besitz wurde von der Familie sehr geschätzt. Mit dem Zichorienanbau in Oberösterreich gab es aber Schwierigkeiten. Bessere Ausgangsbedingungen fand man dafür in Böhmen und Niederösterreich. Die mit Zichorien bestellte Fläche in Oberösterreich am Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf 150 bis 200 Joch oder 80-110 ha geschätzt. Verschiedene Umstände standen hier einer weiteren Ausdehnung entgegen. Daher wandte man die Aufmerksamkeit Böhmen zu, wo die Verhältnisse günstiger waren. Die böhmische Landwirtschaft erkannte die Chancen rascher. Im Königgrätzer und Pardubitzer Gebiet wurden 1898 bereits etwa 4.000 bis 5.000 Joch oder 2.200 bis 2.800 ha damit bewirtschaftet.[8] [Die Großindustrie Österreichs, II, 3, 196. ]
Der Verarbeitungsprozess war einfach. Die Zichorienwurzeln wurden nach der Ernte gewaschen, in Schneidemaschinen geschnitzelt, anschließend getrocknet, geröstet und gemahlen, dann gesiebt und sortiert. Abgepackt wurde der Kaffee entweder in Rollen oder Kisteln, ab 1924 vornehmlich in Schachteln. Es überwogen die Frauenarbeitsplätze. Von 360 Personen, die 1885 bei Franck beschäftigt waren, waren 243 Frauen. Bis zum Ersten Weltkrieg stieg die Beschäftigtenzahl bei Franck in Linz auf über 500.
Es war Franck‘sche Tradition, im direkten Umfeld des Unternehmens zu wohnen. Johann Heinrich Franck (1888-1954), der wie alle Angehörigen der Franck-Familie seine Kindheit auf dem Werksgelände verbrachte, erinnerte sich anlässlich des 75jährigen Jubiläums 1954 an den raschen technischen Wandel, an die erste Schreibmaschine, die Einführung des elektrischen Lichts, das erste Telefon im Büro, an das erste Automobil, das in den Fabrikhof fuhr und an vieles mehr, was die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg als „gute alte Zeit“ erscheinen ließ.[9] [Festreden anläßlich des 75jährigen Firmenjubiläums, 1954. ]
[6] Lackner, Stadler, Fabriken in der Stadt, 333 ff.
[7] Notizen von und für Heinrich Franck Söhne Linz a.D., begonnen 1880.
[8] Die Großindustrie Österreichs, II, 3, 196.
[9] Festreden anläßlich des 75jährigen Firmenjubiläums, 1954.