logo

Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Linz wird zum Österreich-Standort

Kaffeefabrik in Linz – Ansicht aus dem Jahre 1879
Kaffeefabrik Linz – älteste Ansicht aus dem Jahre 1879
Was der Grund gewesen ist, warum die Ludwigsburger Kaffeemittelfabrik Heinrich Franck Söhne im Jahr 1879 als Standort ihrer ersten Auslandsniederlassung Linz auswählte, das bald zum Ersatzkaffeezentrum der Habsburger Monarchie aufrückte, kann nur vermutet werden. Linz war von Stuttgart aus per Eisenbahn direkt zu erreichen. Es war die erste große Stadt auf dem Weg in die Habsburgermonarchie, es liegt mitten in einem landwirtschaftlich günstigen Gebiet. Und es gab leer stehende Räumlichkeiten, die man nutzen konnte.

Schon 1810 wird in Linz eine Surrogatkaffeefabrik erwähnt, die ein gewisser Anton Löffler betrieb. 1865 bis 1873 bestand die Kaffeefabrik Anton Gartenauer. Eine kleine Surrogatkaffeefabrikation zusätzlich zu ihrer Spirituserzeugung betrieben auch die Gebrüder Feigl (1853-1886). Adolf Julius Titze gründete 1868 in Rottenegg (St. Gotthard im Mühlkreis) die „Erste oberösterreichische Feigenkaffee-Fabrik“, die 1879 nach Linz verlegt wurde, also im selben Jahr, in welchem Franck nach Linz expandierte.

Die Habsburgermonarchie war für Franck ein wichtiger, wenn auch schwieriger Markt. Die Konkurrenz war groß. Angeblich gab es in der Habsburgermonarchie nicht weniger als 67 verschiedene Ersatzkaffee-Firmen und Erzeuger. Mittel- und Südösterreich wurden vom Feigenkaffee dominiert, Böhmen und Mähren vom sogenannten „Mandelkaffee“, einer Mischung aus Rübensorten. In Wien ließ der Kaufmann seine vom Importhandel erstandenen Feigen beim Bäcker rösten und in einer am Ladentisch angeschraubten Handmühle vor den Augen der Käufer durchmahlen. Francks Markt war vorerst Westösterreich, wo man den Zichorienkaffee bereits kannte.[6] [Lackner, Stadler, Fabriken in der Stadt, 333 ff. ]

Die Franck -Fabrik in Linz, 1910
Kaffefabrik in Linz um 1900.
1866 war die Habsburgermonarchie zum Freihandel übergegangen. Der Zoll auf Kaffeeersatz sank von 16 Gulden auf 2 Gulden pro Zentner. Der Absatz in Österreich wurde für Franck so wichtig, dass 1875 in Ludwigsburg eine eigene Österreich-Abteilung eingerichtet wurde. Dafür wurde mit Friedrich Starker ein tüchtiger Abteilungsvorstand bestellt. Doch als sich 1879 die Zollpolitik erneut änderte und die Ära der Schutzzölle begann, musste man die Errichtung einer Produktionsstätte in der Habsburgermonarchie ins Auge fassen. Gustav Franck, der 1871 als Teilhaber in das Geschäft eingestiegen war, hatte 1878 zu diesem Zweck ganz Österreich bereist.
Am 17. Dezember 1878 kam er nach Linz. Hier fand er die leer stehenden Hallen der Waggon-Fabrik des Ignatz Meyer, die 1871/72 errichtet und nach dem Börsenkrach von 1873 nie in Betrieb genommen worden waren. Die großen Hallen und die bereits vorhandene Dampfmaschine stellten eine günstige Gelegenheit dar.
Nun ging alles sehr schnell. Am 26. Dezember 1878 kamen zwei Ingenieure, einen Tag später Hermann Franck und Direktor Wilhelm Gentner persönlich nach Linz. Der Kaufvertrag wurde am 28. Dezember 1878 unterzeichnet. Für die Verkäufer traten der Lederfabrikant Josef Mayrhofer und die Schiffsmeisterswitwe Susanna Mayer auf, als Käufer Hermann Franck.
Am 30. Jänner 1879 wurde die Firma Heinrich Franck Söhne als Zweigniederlassung des Ludwigsburger Unternehmens in das Linzer Handelsregister eingetragen. Als Firmeninhaber und öffentliche Gesellschafter fungierten Wilhelm, Hermann und Gustav Franck, als Prokuristen Wilhelm Gentner und Bartholomäus Bayländer. Am 20. Februar 1879 erfolgte die Kundmachung im Amtsblatt zur Linzer Zeitung. [7] [Notizen von und für Heinrich Franck Söhne Linz a.D., begonnen 1880. ]

Es war mitten im Winter. Die Hallen, die sich in einem wenig zufriedenstellenden Zustand befanden, waren bitter kalt. Nichts desto trotz begann man schon am 2. Jänner 1879 in einer „Franck-Kaffee-Stube“ mit dem Abpacken von Kaffee. Am 3. Februar startete die Kaffee-Erzeugung und am 17. Mai konnte der Betrieb der Rösterei und der Mühle eröffnet werden. Erfahrene Arbeiterinnen waren aus Ludwigsburg mitgenommen worden. Im Spätsommer 1879 waren alle Anfangsschwierigkeiten beseitigt und war die Produktion in vollem Gang.

Die Franck -Fabrik in Linz, 1910
Die Franck-Kaffefabrik in Linz, 1910.
Das um 110.000 Gulden angekaufte Areal umfasste drei Grundstücke, eines zu 10.250 m2, eines zu 2,8 ha und eines zu 3.142 m2 und einen weiteren Grundteil zu 2,8 ha, alle in Lustenau, Gemeinde Linz. Die Gebäude waren Stein- und Eisenkonstruktionen, dazu einige Holzschuppen. Das wichtigste Inventar war die Dampfmaschine. Allerdings befand sich das Ganze nicht wirklich in Schuss. Es musste viel investiert werden. Ein Wasser- und ein Kanalanschluss mussten geschaffen, eine Straße gebaut, die Einzäunung repariert und ein Pförtnerhaus errichtet werden. 1881 wurde das Areal der benachbarten, 1868 gegründeten und ebenfalls seit 1873 kriselnden Knochenmehl- und Spodiumfabrik Müller & Co. nebst 2,3 ha Baugrund um 30000 Gulden dazu gekauft und zum sogenannten Werk II ausgebaut. Es ist dies jener Firmenteil, der 1989 an die Stadt Linz zur Errichtung eines Kongress- und Ausstellungszentrums (Design-Center) veräußert wurde.

Carl Franck, der jüngste der Brüder Franck, übernahm 1883 die Leitung des österreichischen Geschäfts.
Carl Franck, der jüngste der Brüder Franck, übernahm 1883 die Leitung des österreichischen Geschäfts und übersiedelte nach Linz.
1883 wurde die bis dahin noch in der Zentrale Ludwigsburg angesiedelte Werksleitung mit Friedrich Starker als Prokurist an der Spitze auf Dauer nach Linz verlegt. Zusammen mit Wilhelm Gentner und Bartholomäus Bayländer zeichnete er kollektiv. Der jüngste der Brüder, Carl Franck übernahm die Leitung des österreichischen Geschäfts. Er übersiedelte nach Linz und wurde als neu eintretender Gesellschafter ins Firmenregister eingetragen. Er hatte in den siebziger Jahren als 22jähriger eine Stelle in Bahia, Brasilien angenommen und dort bereits internationale Geschäftserfahrung gesammelt. 1885 heiratete er, begründete in einen Haushalt und nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an.

Es wurde viel gebaut. Bis zum Ersten Weltkrieg entstanden sieben langgestreckte parallele Produktions- und Lagergebäude und ein viergeschossiges, 24-achsiges Verwaltungsgebäude. 1891 wurde im Werksgelände ein neues Kesselhaus errichtet, im gleichen Jahr auch ein Gerätehaus für die Fabrikfeuerwehr. 1895 konnte das neue Kanzleigebäude bezogen werden, das bereits auch eine Zentralheizung aufwies, angeblich die erste in Linz. Im Jahr 1896 wurden drei Schlote, ein Rauch- und zwei Dunstschlote, errichtet und die alte Dampfmaschine durch eine neuere Konstruktion ersetzt.

Eine der vordinglichsten Aufgaben war die Einführung des Zichorienanbaus in Oberösterreich. Rund um das Industriegelände gab es noch ausreichend freies Ackerland. 1883 wurden die Güter Hummelhof und Spallerhof als Musterhöfe erworben. Auf letzterem wurde eine Darre errichtet. Die Güter gingen später in den Privatbesitz Carl Francks über, der sie als ein großes Gut bewirtschaften ließ. Dieser Besitz wurde von der Familie sehr geschätzt. Mit dem Zichorienanbau in Oberösterreich gab es aber Schwierigkeiten. Bessere Ausgangsbedingungen fand man dafür in Böhmen und Niederösterreich. Die mit Zichorien bestellte Fläche in Oberösterreich am Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf 150 bis 200 Joch oder 80-110 ha geschätzt. Verschiedene Umstände standen hier einer weiteren Ausdehnung entgegen. Daher wandte man die Aufmerksamkeit Böhmen zu, wo die Verhältnisse günstiger waren. Die böhmische Landwirtschaft erkannte die Chancen rascher. Im Königgrätzer und Pardubitzer Gebiet wurden 1898 bereits etwa 4.000 bis 5.000 Joch oder 2.200 bis 2.800 ha damit bewirtschaftet.[8] [Die Großindustrie Österreichs, II, 3, 196. ]

Der Verarbeitungsprozess war einfach. Die Zichorienwurzeln wurden nach der Ernte gewaschen, in Schneidemaschinen geschnitzelt, anschließend getrocknet, geröstet und gemahlen, dann gesiebt und sortiert. Abgepackt wurde der Kaffee entweder in Rollen oder Kisteln, ab 1924 vornehmlich in Schachteln. Es überwogen die Frauenarbeitsplätze. Von 360 Personen, die 1885 bei Franck beschäftigt waren, waren 243 Frauen. Bis zum Ersten Weltkrieg stieg die Beschäftigtenzahl bei Franck in Linz auf über 500.

Serviertablett
Serviertablett
Der Standort der Franck-Fabrik am damaligen Stadtrand, im freien, zum Teil bewaldeten Gelände zwischen Allgemeinem Krankenhaus, ehemaligem Südbahnhof und Bahnschleife der Westbahn war gut gewählt. An der späteren Franckstraße in Richtung St. Peter siedelten sich in der Folge noch weitere Betriebe an, die Rosshaarspinnerei Fehrer und der Schweizer Elektrokonzern Sprecher & Schuh. Das Franck-Viertel wurde von der Industrie geprägt.

Es war Franck‘sche Tradition, im direkten Umfeld des Unternehmens zu wohnen. Johann Heinrich Franck (1888-1954), der wie alle Angehörigen der Franck-Familie seine Kindheit auf dem Werksgelände verbrachte, erinnerte sich anlässlich des 75jährigen Jubiläums 1954 an den raschen technischen Wandel, an die erste Schreibmaschine, die Einführung des elektrischen Lichts, das erste Telefon im Büro, an das erste Automobil, das in den Fabrikhof fuhr und an vieles mehr, was die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg als „gute alte Zeit“ erscheinen ließ.[9] [Festreden anläßlich des 75jährigen Firmenjubiläums, 1954. ]

[6] Lackner, Stadler, Fabriken in der Stadt, 333 ff.
[7] Notizen von und für Heinrich Franck Söhne Linz a.D., begonnen 1880.
[8] Die Großindustrie Österreichs, II, 3, 196.
[9] Festreden anläßlich des 75jährigen Firmenjubiläums, 1954.