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Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Eine Männergesellschaft in Frauenhand

Franck war eine Männergesellschaft in Frauenhand, nicht nur was die Beschäftigtenstruktur, sondern auch die Eigentümerstruktur betraf. Die Unternehmensleitung wurde von Männern ausgeübt: Direktoren und Vorarbeiter waren Männer; der größere Teil der Beschäftigten waren Frauen. Und zumindest in späterer Zeit wurde der größere Teil der Eigentumsrechte von Frauen als stille Gesellschafterinnen gehalten. Ihre Stimmrechte hingegen wurden von ihren Ehegatten oder sonstigen männlichen Vertretern ausgeübt.

Johann Heinrich Franck und seine Söhne Wilhelm Heinrich und Hermann Heinrich
Johann Heinrich Franck und seine Söhne Wilhelm Heinrich und Hermann Heinrich.
Im Jahre 1835 hatte Heinrich Franck nach dem frühen Tode seiner ersten Frau Jacobina Elbe die 23jährige Friederike Marquardt (1812-1885) geheiratet, die jüngste Tochter des wohlhabenden Hirschwirts und Ökonomen in Waldheim am Neckar. Zu den vier überlebenden Kindern aus erster Ehe kamen sechs weitere aus dieser zweiten Ehe. „Man kann sich kaum vorstellen“, schreibt ihre Tochter Amalie, „was Mutter mit ihrem unermüdlichen Tätigkeitsdrang in dem kinderreichen Hause geleistet, welche Riesenlast von Arbeit sie bewältigt hat. Schon der Haushalt, zu dem außer der wachsenden Kinderschar die Sorge für die gleichfalls in stetem Wachstum begriffene Zahl der in Kost und Logis stehenden Ladengehilfen, Kontoristen und Reisenden gehörte, nahm ihre volle Kraft in Anspruch. Daneben oblag ihr noch eine Menge Nebengeschäfte: ein Teil des Ladengeschäfts selbst sowie die Aufsicht über den Ökonomiebetrieb auf der Seemühle.“[23] [Franck-Buch, 97 ff; 164 ff. ]

Alle Söhne und Töchter Francks wurden zwar bereits in jungen Jahren zur Arbeit im Unternehmen herangezogen. Aber die Töchter wurden nicht ins Unternehmen aufgenommen. Franck suchte sie gut zu verheiraten, mit Kaufleuten, Gutsbesitzern, Apothekern, Ärzten, Militärs. Die Söhne hingegen mussten Verantwortung übernehmen. Sie blieben im Geschäft und wurden in die Firma integriert. Den Gesellschaftsvertrag schloss Vater Franck 1853 zuerst allein mit seinem ältesten Sohn Wilhelm (1828-1892). Seine Schwester Amalie kritisierte an ihm, dass ihm „der weite Blick und auch die Ruhe der Überlegung und Berechnung“ des Vaters fehlten. In einem eigenen Kaufvertrag wurde ihm ein Drittel der Fabrik abgetreten. Er übernahm die Leitung der in Enzwaihingen nahe Vaihingen im malerischen Riether Tal gelegenen Kaffeemittel-Fabrik, die von einem Konkurrenten erworben worden war und großzügig ausgebaut und modernisiert wurde. Fünf Wasserräder trieben dort die Kaffeemühlen.
1861 regelte Heinrich Franck im Testament auch die Versorgung seiner Frau und eines kränklichen Sohnes. In einem neuen Gesellschaftervertrag aus dem Jahr 1864 beteiligte er auch seinen Sohn Hermann (1838-1902) am Unternehmen. Hermann übernahm die Hälfte des bisherigen Zwei-Drittel-Anteils des Vaters. Für Amalie verkörperte dieser die Tugenden des Vaters: die „ruhige, großartige Schaffenskraft, den sicheren Blick und den wohlüberlegten, vor keiner Schwierigkeit zurückschreckenden Wagemut“. Wilhelm und Hermann Franck übernahmen das Unternehmen, das ab 15. Jänner 1869 Heinrich Franck Söhne hieß. Die weiteren Söhne und alle Töchter hingegen blieben ausgeschlossen. Im Vertrag von 1864 erklärten die damals Beteiligten für sich und ihre Erben verbindlich, „in das Geschäft bei eintretenden Veränderungen des Besitzstandes keine anderen als männliche Nachkommen der jeweiligen Teilhaber in das Geschäft aufzunehmen.“

Das Unternehmen war patriarchalisch geführt. Die Söhne übernahmen in den sechziger Jahren die Hauptarbeit. „Der Vater wurde mehr Berater“, so Amalie, „er übernahm täglich noch die Post, aber durfte es sich doch in den letzten Jahren leichter machen, die tüchtigen Söhne hatten alles in den Händen.“ Heinrich Franck hatte ein hervorragend geführtes Unternehmen geschaffen, das auf der Pariser Weltausstellung mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Die Fabrik repräsentierte einen Wert von fast 800.000 Gulden.

Nach seinem Tod im November 1867 fiel Johann Heinrich Francks Geschäftsanteil an seine Witwe, die ihn zwei Jahre später an einen weiteren Sohn verkaufte. Die drei erbenden Söhne nahmen ihre Erfahrungen zum Maßstab und schlossen für die Zukunft neben den Schwestern auch die Mutter aus, indem sie als „Tradition“ hervorhoben, dass „eine Vererbung eines Geschäftsteils nur vom Vater auf den Sohn in direkter Abstammung“ möglich sei. Diese Regel hoben die Brüder und Mitteilhaber auch nicht auf, als Wilhelm 1892 bat, seinen Töchtern im Testament den Status als passive Gesellschafterinnen vererben zu dürfen. Der Bitte wurde, weil dem Gesellschaftsvertrag widersprechend, nicht stattgegeben. Auch das 1915 ausgearbeitete Statut der Franck-Holding-Genossenschaft Limes in Schaffhausen sprach nur den Söhnen das Recht zu, als Genossen aufgenommen zu werden.

Am strikten Ausschluss aller Frauen von der Unternehmensführung hielt auch die dritte und vierte Generation fest, obwohl unter den Nachkommen bei Franck nunmehr eindeutig die weibliche Seite die Überzahl hatte. Die Töchter heirateten in angesehene soziale Gruppen, bevorzugt Offiziere, dann und wann auch Adelige, Künstler oder auch Industrielle.

Die Söhne heirateten strategischer. Robert Franck war seiner eigenen Aussage nach bei seiner Heirat darauf bedacht, eine Frau zu bekommen, die „sich unserem Familien- und Geschäftssinn“ anpasse. Verheiratet war er mit Martha Seeger. Sie entstammte der seit 1764 in Murrhardt ansässigen Tuchmacherfamilie Seeger. Ihr Vater, Generalarzt Albert von Seeger in Ludwigsburg, war ein gebürtiger Murrhardter.

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Carl Franck heiratete Helene, geb. Klumpp, Hotelierstochter aus Wildbad. Sie hatte anlässlich der Heirat im Jahr 1885 Bargeld in Höhe von 50.000 Mark und Sachwerte als Aussteuer in Höhe von 25.668 Mark eingebracht, darunter die Einrichtung für den Salon, das Esszimmer, Schreibzimmer, Gastzimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer, die Bügelstube, die Dienstbotenstube, die Küche und die Waschküche, dazu Service, Weiß-, Tisch- und Bettzeug etc. Carl Franck brachte seinerseits 456.850 Kronen ein, davon 450.000 in bar, der Rest Kleider, ein Schlafzimmer und ein beträchtlicher Weinvorrat in Höhe von 1.500 Kronen. Darüber wurde eine Ehepakte ausgefertigt: hinsichtlich des seit der Eheschließung erworbenen Vermögens herrschte Gütergemeinschaft, beide Ehegatten blieben aber Eigentümer ihres vor der Eheschließung vorhandenen Vermögens. Frau Helene Franck überließ jedoch ihrem Gatten die Verwaltung des Sondervermögens und auch des gemeinsamen Vermögens.

Seit der dritten Generation überwogen unter den Nachkommen eindeutig die Töchter, was zu der durchaus merkwürdigen Konsequenz führte, dass die Männer das Unternehmen führten, die Frauen es aber besaßen.[24] [Willi A. Boelcke, Ächt Franck. Die schwäbische Kaffeemittel-Dynastie, in: Ders. (Hg.), Unternehmerfamilien, 84-99. ] Sie wurden in den Aufsichts- und Verwaltungsräten sowie in den Gesellschafterausschüssen von ihren Ehemännern und Söhnen vertreten. Auf dem offiziellen Gruppenfoto zum 75-Jahr-Jubiläum 1954 in Linz sind zwar ausschließlich Männer zu sehen: Mitglieder der Familie Franck und leitende Angestellte, insgesamt 34 Männer. Das kontrastiert zu der merkwürdigen Situation, dass sich zu dem Zeitpunkt mehr als zwei Drittel der Unternehmensanteile im Besitz von Frauen befanden. Diese Frauen hatten durchaus Selbstbewusstsein: Sie waren emanzipiert: Der Handelskammerpräsident Josef Klein berichtete 1954, als er einmal vor längerer Zeit, vielleicht 40 oder 45 Jahren, Helene Franck als „gnädige Frau“ angesprochen habe, sagte sie, ich bin nicht die „gnädige Frau“, ich bin die „Frau Franck“.

Als die beiden letzten Franck in direkter männlicher Linie 1971 bzw. 1976 starben, ging auch die Geschichte des Familienunternehmens zu Ende. Es wurde an Nestlé verkauft.

[23] Franck-Buch, 97 ff; 164 ff.
[24] Willi A. Boelcke, Ächt Franck. Die schwäbische Kaffeemittel-Dynastie, in: Ders. (Hg.), Unternehmerfamilien, 84-99.