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Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Das patriarchalische Unternehmensmodell Franck

Nicht nur die eigene Familie, sondern auch die Unternehmensfamilie war patriarchalisch organisiert: man kümmerte sich um die Beschäftigten. Das Unternehmen blieb auch als Aktiengesellschaft ein Familienbetrieb. Der Familienbegriff wurde auch auf die Arbeiterschaft ausgeweitet. Carl Franck brachte von Deutschland das System der patriarchalischen Firmenführerschaft nach Linz mit, mit engen, fast familiären Beziehungen zwischen Unternehmer und Belegschaft, hohen Sozialleistungen und einem ausgeprägten Firmengeist. Diese Leutseligkeit wurde dem Firmengründer Johann Heinrich Franck als besondere Naturgabe zugeschrieben. Er betrachtete und behandelte, heißt es im „Franckbuch“ von 1911, die Arbeiterschaft samt den Beamten als seine erweiterte Familie, die er an allen Vorteilen und Freuden teilnehmen ließ. Und diese Leutseligkeit sei auch seinen Söhnen mit in die Wiege gelegt worden. Ihre Arbeit war von dem Bewusstsein ihrer verantwortlichen Stellung getrieben, „ein Bewusstsein von den Pflichten des Reichtums für das Ziel, aus den Untergebenen Mitinteressenten zu machen.“ Familie und Geschäft sollten im täglichen Arbeiten eine Einheit bilden. Carl Francks Credo, das auch auf dem evangelisch-sozialen Kongress 1908 vertreten wurde, war der „Sozialismus des Herzens“, des leutseligen Verkehrs von Mensch zu Mensch.

v. l. n. r.: Gustav Franck, Hermann Franck, Carl Franck und Robert Franck
v. l. n. r.: Gustav Franck, Hermann Franck, Carl Franck und Robert Franck

Man engagierte sich für das soziale Wohl der Belegschaft. Charakteristisch für Franck war die hohe Zahl von „Veteranen“, von altgedienten „Franckianern“, obwohl beim hohen Anteil von weiblichen Beschäftigten eine entsprechend höhere Fluktuation zu erwarten gewesen wäre. In Ludwigsburg gab es seit 1871 eine freiwillige Fabrikkrankenkasse für die Arbeiter, 1873 auch eine solche für die Arbeiterinnen. Das wurde auch für Linz übernommen. Jedes Kassenmitglied hatte einen Wochenbeitrag von 6 Kreuzern einzuzahlen und erhielt dafür im Krankheitsfall eine tägliche Unterstützung von 42 Kreuzern. Für Lebensversicherungen steuerte das Unternehmen zuerst ein Viertel, ab 1885 die Hälfte der Jahresprämie bei. Den Arbeitern wurden je nach Dauer der Unternehmenszugehörigkeit Dienstalterszulagen gewährt. Auch nach Einführung der Pflichtkrankenkassen im Deutschen Reich und wenig später auch in Österreich blieb die freiwillige Hilfskasse weiter bestehen und wurde vom Unternehmen weiter gefördert. Für Invalide wurde eine weitere Hilfskasse geschaffen, die Zuschüsse gewährte. Am 1. Oktober 1894 errichteten die damaligen Firmeninhaber Gustav, Hermann, Carl und Robert Franck aus einer Stiftung zum Andenken an den verstorbenen Gesellschafter Wilhelm Franck in Höhe von 100.000 Mark und eigenen Zuwendungen in Höhe von 200.000 Mark eine Hilfskasse für die Bureau- und Reisebeamten, die diesen, ihren Witwen und Waisen in unverschuldeter Notlage zugutekommen sollte. Durch weitere Zuwendungen wuchs das Stiftungskapital bis 1904 auf etwa 470.000 Mark an. In diesem Jahr wurden davon 170.000 Mark für die Pensionskasse der Beamten der österreichischen Geschäfte ausgeschieden.

1887 wurde ein Kantinengebäude errichtet, mit je einem Saal für Männer und Frauen, streng nach Geschlechtern getrennt, einer Küche und einem Schankraum. Baugründe für Arbeiterwohnungen wurden angekauft. Der Grunderwerb und die Bauausführung erfolgten auf Privatrechnung der Herren Gustav und Carl Franck. Der letzte vor dem Weltkrieg vollendete Bau war ein Arbeiterwohnhaus in der Kinderspitalgasse.


Franck-Beamtenwohnhaus in Linz
Franck-Beamtenwohnhaus in Linz
So entstand seit 1890 nördlich der Linzer Fabrik ein kleines Arbeiterwohnviertel mit mehreren Wohnungstypen: der erste Typ mit Zimmer-Küche-Wohnungen zu 25,9 und 33,4 m2, ein Laubenganghaus mit Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen, und ein Beamtenwohnhaus (Goethestraße 77) mit je zwei 141 m2 großen Vierzimmerwohnungen pro Geschoß mit Loggia, Bad und Vorzimmer. Der Grünauerhof, ein großer Vierkanter in der Goethestraße 95, wurde von Franck 1891 in Zimmer-Küche-Wohnungen umgestaltet. 1904 unterstützte Franck die Stadt Linz mit 100.000 Kronen für den Bau von Arbeiterhäusern.

Die Familie Franck bot ihren Arbeitern über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus eine besonders breite Palette von freiwilligen Sozialleistungen. Eine Alterszulage, einen Arbeiterunterstützungsfonds, eine Lebens- und Altersversicherung, eine Kleinkinderschule und eine Zinsenunterstützung bei Ersparnissen und Darlehen für Grunderwerb und Hausbau. Erwartet wurden im Gegenzug eine „pflichtgetreue Arbeit“ und eine „geordnete Lebensführung“[25] [Wohlfahrtseinrichtungen im Jahr 1905, zit. n. Lackner/Stadler, Fabriken, 339. ] , die „Mitarbeit im kleinen“, und natürlich „Unterordnung, Disziplin, Gewissenhaftigkeit und Fleiß“.[26] [100 Jahre Franck, 104, zit. n. Lackner/Stadler, Fabriken, 339. ]
Das eigene Haus in einem Leben auf dem Lande wurde besonders gelobt und gefördert: „Hier können sich die Frau und die Kinder mit dem Feldbau befassen, können eine Kuh, ein paar Ziegen oder Schweine, Hühner, Gänse usw. halten, sie können anderes für die Bedürfnisse der Haushaltung erwerben und erschaffen – in der Stadt hängt aber alles an dem Manne, alles soll der Mann herbeischaffen, Nahrung, Kleider, Stiefel, Schuhe, kurzum alles, auch noch höchst überflüssige Modehüte und dergleichen unnötige Sachen mehr für die Frau und die Kinder.“[27] [Aus der Geschichte der Fa. Franck, Anhang. ]

In den „Internen Bestimmungen“ von 1911, einer Art Dienstordnung für Firmenbeamte wurde die Einwilligung der Firma zur Heirat an die Wahl einer „wohlgebildeten, gesitteten, haushälterisch veranlagten und bescheiden erzogenen Tochter“ geknüpft.[28] [Interne Bestimmungen, 1911, zit, n, Lackner/Stadler, Fabriken, 341. ]

Walter Franck
Walter Franck
Auch nach 1945 wurde das freiwillige Sozialangebot beibehalten. Da allerdings der Sozialstaat viele Aufgaben übernommen hatte, konzentrierte sich Franck auf Aktivitäten, die entweder das Gemeinschaftsgefühl stärkten oder die Eigentumsbildung förderten, auf Firmenausflüge, Weihnachtsfeiern, Altenfeiern, andererseits auf Schrebergärten, Ersparnisbildung und Eigenheimbau. Die Gewinnbeteiligung variierte nach 1948 zwischen 70 und 85 Prozent eines monatlichen Bruttoeinkommens eines Beschäftigten. Nach 25 jähriger Dienstzeit gab es für alle 70 Prozent ihres Letzteinkommens als Monatspension, aber schon nach 10jähriger Zugehörigkeit Berechtigung zu entsprechend gestaffelter Pension. Die Schaffung künftigen Eigentums sei das Ziel, nicht die Neuverteilung des bestehenden Eigentums, war die Leitlinie Hermann Wilhelm Breyers als Geschäftsführer von 1945 bis 1958. In diesem Sinne gab es 1954 eine Jubiläumsspende mit Gewinnbeteiligung und Wertsicherung statt einer Besitzbeteiligung in Aktienform, ferner die Förderung des Baus von Eigenheimen mit 2Prozenten Firmenkrediten. Das steht in einer langen Firmentradition: Pensionskasse für Angestellte und Arbeiterunterstützungsfonds für Krankheit und Altersversorgung, Zuschüsse für Lebensversicherung, Kindergarten, Werkswohnungen. Die Firma sei als Familienunternehmen entstanden und sei es noch… die große Familie aller Werksangehörigen.[29] [Festreden 1954. ]

Walter Franck sagte 1954: „Als nun schon 50jähriger Gesellschafter glaube ich das Recht und die Pflicht zu haben, die Mitgesellschafter darauf hinweisen zu sollen, dass ein führender Geist das Gedeihen des Unternehmens regiere. Wo dies der Fall ist, gibt es keine Meinungsverschiedenheit, keinen Unfrieden… Er fasst die Aufgaben der Gesellschafter zusammen, fordert sie auf, „die Bestrebungen sowohl der geschäftsleitenden Organe als aller tätigen Mitarbeiter und fleißigen Hände in jeder Hinsicht zu fördern, mitzuhelfen die Verdienstmöglichkeiten sicher zu stellen und jedem einzelnen die Freude an seiner erfolgreichen Arbeit zu gönnen, damit ein jeder Firmenzugehörige das überzeugende Gefühl habe, seine Gesellschafter stehen hinter seinem Willen am Erfolg.“[30] [Festreden 1954. ]

[25] Wohlfahrtseinrichtungen im Jahr 1905, zit. n. Lackner/Stadler, Fabriken, 339.
[26] 100 Jahre Franck, 104, zit. n. Lackner/Stadler, Fabriken, 339.
[27] Aus der Geschichte der Fa. Franck, Anhang.
[28] Interne Bestimmungen, 1911, zit, n, Lackner/Stadler, Fabriken, 341.
[29] Festreden 1954.
[30] Festreden 1954.