Zichorie: Die blaue Blume der Romantik
Die gemeine Wegwarte oder Zichorie, Cichorium intybus, die an vielen Wegrainen wild und unbeachtet wächst und im Volksmund auch Sonnenwend genannt wird, weil die Blätter sich immer der Sonne zuwenden, wurde seit der Antike als Heilpflanze geschätzt. Ihre zarten blauen Blüten – ist es die „blaue Blume“ der Romantik? – haben immer einen gewissen Zauber ausgeübt. Die Eignung ihrer zwischen 650 und 1000 g schweren Wurzeln als Kaffeeersatz wurde bereits früh erkannt. Diese werden im Oktober und November geerntet, zerkleinert und getrocknet. Die Schnitzel werden geröstet, gemahlen und gedampft, worauf man sie entweder presst oder lose zu einem der verschiedenen Landkaffeeprodukte zusammenmischt.
Im späten 18. Jahrhundert entstanden, von Holland ausgehend, in Frankreich und Deutschland zahlreiche Zichorienkaffeefabriken. Fabrik war dafür allerdings eine zweifellos etwas übertriebene Bezeichnung: ein Röstofen und eine Mühle zum Zerkleinern machten so eine Fabrik aus.
Einen ersten Höhepunkt erreichten die Versuche mit Zichorie durch die Kontinentalsperre, die Kaiser Napoleon I. von 1806 bis 1813 gegen England verhängt hatte und die den Import von Kaffee auf das europäische Festland unmöglich machte oder zumindest sehr erschwerte und Bohnenkaffee für den größten Teil der Konsumenten unerschwinglich werden ließ. Zu einem der frühen Zentren der Ersatz-Kaffee-Erzeugung wurde das oberrheinische Städtchen Lahr. Aus Frankreich oder vom Oberrhein bezog wohl auch Johann Heinrich Franck seine Kenntnisse, die ihn zum Ersatzkaffeepionier werden ließen.