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Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Schlechte Zeiten sind gute Zeiten

Walter Franck übernahm die Leitung der Fundus Handels GmbH.
Walter Franck übernahm die Leitung der Fundus Handels GmbH.
Erst ab 1920 kehrten wieder normale Verhältnisse ein. Die Bewirtschaftung des Ersatzes ging zu Ende. Man konnte wieder ungehindert produzieren. Doch nun merkte man, dass Österreich nicht nur arm geworden war, sondern dass man auch das Geschäftsfeld der ehemaligen Monarchie verloren hatte. Die neun Franck’schen Filialfabriken, die nunmehr außerhalb der Republik Österreich gelegen waren, mussten in selbständige Gesellschaften umgewandelt werden. Auch die Hauptanbaugebiete für die Zichorie, die sich in Böhmen befanden, lagen nun im Ausland. Die Beschäftigtenzahlen der Linzer Kaffeemittelfabriken wurden halbiert.

Die Verluste, die die INGA hinnehmen musste, waren zwar schwer. Aber die Konstruktion hatte ihre Bewährungsprobe bestanden. Die Beteiligungen, die 1915 mit 80 Millionen Franken zu Buche standen, wurden in der Bilanz des letzten Kriegsjahres auf 32 Millionen Franken angepasst. Die Unternehmen in Rumänien, Italien und den USA waren sequestriert worden. Die Zweigniederlassungen von Heinrich Franck Söhne in den nunmehrigen Nationalstaaten der Habsburgermonarchie wurden in gesonderte Aktiengesellschaften umgewandelt und nationalisiert. Sie wurden 1922 der Fundus-Handelsgesellschaft m.b.H. in Linz unterstellt, die aus der 1915 gegründeten Emil Seelig GmbH mit dem Betriebsgegenstand „Handel mit Kaffeesurrogaten“ hervorgegangen war und 1919 in die „Fundus HandelsGmbH“ umgewandelt worden war. [38] [OÖLA, RGA, Handelsregister, Schuber 1125, Nr. 191. ] Die Leitung der Fundus übernahm Walter Franck, die Prokura hatten Wilhelm Löhr und Anton Spitz. Die „Fundus“ bestand von 1920 bis 1938. In Berlin übernahm die Allgemeine Nahrungsmittel-Gesellschaft m.b.H. (ANGES), die von Richard Franck geführt wurden, für die deutschen INGA-Betriebe dieselbe Steuerungsfunktion. Aus der Züricher Filiale der Heinrich Franck Söhne AG, Basel ging die „Interfranck“ (Internationale Handels AG) hervor, die den Einkauf von Rohstoffen international koordinieren sollte. Komplettiert wurde der internationale Konzernaufbau durch die „Osta“ Finanz- und Industrie AG Basel, die die Finanzgeschäfte abwickeln sollte und aus der die „Handelsbank in Zürich“ herauswuchs. Um Fundus, Anges und Interfranck zu koordinieren, wurde ein eigener INGA-Ausschuss eingerichtet, zu dessen Sekretär Johann Heinrich Franck bestellt wurde.

Das Franck-Kistel
Das Franck-Kistel.
Es brachen schlechte Zeiten an. Doch oder gerade deswegen nahm das Ersatzkaffeegeschäft einen weiteren stürmischen Aufschwung. Im klein gewordenen Österreich konnte zeitweise mehr Kathreiner vertrieben werden als in der großen Österreichisch-Ungarischen Monarchie.
Die Hauptsorte der Firma Franck war bis 1918 das sogenannte „Franck-Kistel“ gewesen, eine in Holzspankisten verpackte Blockware, die in verschiedenen Gewichtsgrößen auf den Markt gebracht wurde, dazu noch die bunt etikettierten Kaffeerollen, ebenfalls in vielen Größen und Geschmacksnuancen. Da diese Ware durch den Krieg stark an Renommee gelitten hatte, wurde sie 1924 durch die braune „Aecht Franck-Schachtel“ ersetzt. Es kamen neue Markennamen: „Perola“ (1921), „Doska Franck“ (1927), „Franck Spezial“ (1927), „Mühlen-Franck“ (1930), „Modepäckle“ (1931). „Karo-Franck“, „Perola-Kornkaffee“, „Enrilo“, „Guggenberg“ und „Rosil“ (eine Feigenkaffee-Sorte).

Kaffeee-Ersatz-Produkte Perola, Aechter Franck und Kathreiners
Kaffeee-Ersatz-Produkte.

Eine Verbrauchsstatistik aus der Zwischenkriegszeit informiert über die damaligen österreichischen Trinkgewohnheiten. Durchschnittlich wurden pro Kopf und Jahr konsumiert:
1,2 Liter Spirituosen,
2,2 Liter Fruchtsäfte und Limonaden,
13,8 Liter Wein,
54,5 Liter Bier,
6 Liter Kakao,
10 Liter Tee,
23,9 Liter Bohnenkaffee und
90 Liter Kaffeemittel.

In der Zwischenkriegszeit erhielt man für den Preis von 1 kg Bohnenkaffee je nach Jahr zwischen 4 und 6 kg Feigen- und zwischen 6 und 8 kg Malzkaffee, nach dem Zweiten Weltkrieg für 1 kg Bohnenkaffee sogar 12 kg Feigenkaffee.

Auch Franck spürte die Weltwirtschaftskrise ab 1929. Aber der Umsatzeinbruch war bedeutend geringer als im übrigen Gütersektor. Bei der Beschäftigtenzahl war kein deutlicher Rückgang festzustellen. Hatte man 1929 298 Beschäftigte, so 1934, im stärksten Krisenjahr, immer noch 221. Und was die Dividendenausschüttung betraf, gab es überhaupt keinen Einbruch.
Vom Aktienkapital der Linzer Heinrich Franck Söhne AG in Höhe von 2,5 Mio. Schilling, gesplittet in 10.000 Aktien à 250 Schilling, wurde 1928 eine Dividende von 10 Schilling je Aktie ausgeschüttet, von 1930 bis 1935 jeweils 17,5, 25, 15, 15, 15 und 15 Schilling pro Aktie. Dabei ist zu bedenken, dass zwischen 1930 und 1935 das allgemeine Preisniveau sehr stark zurückgegangen war, so dass der Realwert der Gewinnausschüttung real deutlich angestiegen war. 1931, am Höhepunkt der Krise, wurden 250.000 Schilling ausgeschüttet, in den folgenden Jahren jeweils 150.000 Schilling. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiters/Arbeiterin, wenn er/sie beschäftigt waren, lag hingegen bei 1.500 bis 1.800 Schilling. Da auch diese beiden anderen Gesellschaften im Franckschen Mehrheitseigentum, die Kathreiner und die Titze, ähnliche Gewinnausschüttungen wie die Heinrich Franck Söhne AG erzielen konnten, ergaben sich auch in der Wirtschaftskrise für die Aktionäre sehr respektable Einkommen.

1919 hatte sich Carl Franck von der aktiven Leitung zurückgezogen. Als er 1926 starb, gab es ehrende Nachrufe von allen Seiten.
1919 hatte sich Carl Franck von der aktiven Leitung zurückgezogen. Als er 1926 starb, gab es von allen Seiten ehrende Nachrufe.
1919 hatte sich Carl Franck von der aktiven Leitung zurückgezogen. Als er 1926 starb, gab es ehrende Nachrufe von allen Seiten. Walter Franck übernahm die alleinige Führung. Er zog sich 1938 aus dem aktiven Geschäft zurück. Auf Friedrich Starker, der von der Gründung bis in die 1920er Jahre dabei war, folgte Heinrich Westmark als Verkaufsleiter. Dem ersten Linzer Fabriksleiter Bartholomäus Bayländer folgte 1912 Fritz Seyffert. 1919 übernahm Julius Schuster die Leitung der Produktion, dann 1926 Hermann Wunderlich und von 1929 bis 1946 Wilhelm Schaeffer. Bei Kathreiner in Wien amtierten von 1912 bis 1939 die beiden Direktoren Johannes Martin Kjäer und Hanns Mayer.

1926 wurde die Linzer offene Handelsgesellschaft Heinrich Franck Söhne in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, mit Walter Franck als Präsident, Johann Heinrich Franck als Vizepräsident und Otto Franck (Ludwigsburg) und Richard Franck (Berlin) als Verwaltungsräten.
Vor dem Jahr 1938 bestanden in Österreich zwei bzw. eigentlich sogar drei Aktiengesellschaften im Allein- oder Mehrheitsbesitz von Franck-Familienangehörigen, und zwar die Heinrich Franck Söhne AG in Linz mit einem Aktienkapital von 2,5 Mio. Schilling, zweitens die Kathreiner AG in Wien mit einem Aktienkapital von 4,8 Mio. Schilling, und drittens die Adolf Titze AG in Linz mit einem Aktienkapital von S 2,770.000 Schilling.
Das Aktienkapital der Heinrich Franck Söhne AG, Linz in Höhe von 2,5 Millionen Schilling verteilte sich am 13.3.1938 auf Angehörige der Familie Franck mit österreichischer Staatsbürgerschaft mit einem Anteil von 45 Prozent, und auf die INGA mit Sitz in Schaffhausen mit 55 Prozent.[39] [Franck+Kathreiner Report, Microfilm Publication M 1928. ]

Am Kapital der Kathreiner AG Wien in Höhe von 4,8 Mio. Schilling waren am 13. März 1938 Angehörige der Familie Franck mit österreichischer Staatsbürgerschaft mit 42,5 Prozent beteiligt und die INGA mit 57,5 Prozent.[40] [Franck+Kathreiner Report, Microfilm Publication M 1928. Das für den 13. März 1938 ausgewiesene Anteilsverhältnis bei der Kathreiner AG kann allerdings nur rückdatiert sein. Die jüdische Familie Hauser war erst nach dem 13. März aus dem Unternehmen ausgeschieden. ] Die Adolf Titze AG in Linz hatte ein Aktienkapital von S 2.770.000, gestückelt in 2770 Aktien zu 1.000 S; 65 Prozent davon wurden von der INGA gehalten und 34 Prozent von Franck und Söhne, Linz.

Im Jahr 1930 betrug der Buchwert der INGA-Beteiligungen 71 Mio sFr, verteilt auf 44 Firmen in 13 Ländern, darunter 27 Franck-Betriebe. Diese Gesellschaftsstrukturen waren in der weiteren Entwicklung allerdings nicht unumstritten. 1932 meinte Robert Franck, dass sie ihm viel zu denken geben, „weil sie sich den gegenwärtigen Familienverhältnissen und auch Familienwünschen nicht oder nur schwer anpassen“ ließen. Da der Transfer von Dividenden aus devisenrechtlichen Gründen immer schwieriger wurde, zahlte die INGA im Jahr 1933 sechs Millionen Franken und 1934 weitere drei Millionen Franken ihres Aktienkapitals zurück, das damit nur 51 Millionen Franken betrug. 1935 wurde an deren Stelle eine 3 ¼ prozentige Obligationen-Anleihe in Höhe von 10 Millionen Franken mit einer Laufzeit von 25 Jahren meittiert.
An der Schweizer INGA waren beteiligt: österreichische Aktionäre, in der Schweiz wohnhaft, mit 29,47 Prozent, Schweizer Aktionäre mit 42,87 Prozent, ausländische Aktionäre mit 3,41 Prozent, amerikanische Aktionäre mit 7,58 Prozent und eigene Aktien der Gesellschaft mit 16,67 Prozent.

[38] OÖLA, RGA, Handelsregister, Schuber 1125, NBr. 191.
[39] Franck+Kathreiner Report, Microfilm Publication M 1928.
[40] Franck+Kathreiner Report, Microfilm Publication M 1928. Das für den 13. März 1938 ausgewiesene Anteilsverhältnis bei der Kathreiner AG kann allerdings nur rückdatiert sein. Die jüdische Familie Hauser war erst nach dem 13. März aus dem Unternehmen ausgeschieden.